07 Nov Verkaufen in Krisenzeiten? Wie du kurzfristig Kund:innen gewinnst UND dich für die Zukunft vorbereitest
Veröffentlicht am 4. November 2022 | von Maike Burk
Ist es moralisch in Ordnung, in einer Krise zu verkaufen? Welche Bedürfnisse haben potenzielle Kund:innen insbesondere in Krisenzeiten, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen? Und was solltest du jetzt auf keinen Fall tun?
Diese Fragen beantwortet meine Interview-Partnerin Sonja Mahr, Mentorin für Marketingtexte und Sichtbarkeitsmut.
Liebe Sonja, machst du dir aktuell Sorgen um deine Umsätze?
Ich würde es nicht direkt „Sorgen“ nennen. Glücklicherweise bin ich schon eine ganze Zeit selbstständig, auch online sehr präsent – und habe mir da eine gute Sichtbarkeit aufgebaut. Aber ich beobachte natürlich schon sehr genau, dass die Krise auch an mir nicht vorbei geht, dass sich das Kaufverhalten von Kund:innen ändert.
Ich persönlich sehe das eher die „Handlungsfähigkeit“, die wir als Selbstständige haben – wir können auch neue Dinge ausprobieren. Von daher mache ich mir nicht unbedingt Sorgen, aber ich bin schon aufmerksam, ja…
Sonja hilft Solo-Selbstständigen, mit ihren Inhalten Kund:innen zu gewinnen – ohne Marktgeschrei. Sie selbst schreibt persönliche, nahbare und auch sehr aussagekräftige Inhalte. Zuletzt einen Artikel über das Thema Verkaufen in der Krise, den findest du hier: www.sonjamahr.de/in-krisenzeiten-kundinnen-gewinnen
Würdest du sagen, dass sich die aktuelle Krise in der Kaufbereitschaft bei deinen Kund:innen (und deren Kund:innen) bemerkbar macht? Wie?
Also zunächst finde ich interessant: „Die Krise“ – welche Krise nehmen wir? Es ist ja grade geballt ein Krisen-Sammelsurium, leider….
Wenn wir ein bisschen zurück springen: Die Corona-Krise hat sich auf ganz viele meiner Kund:innen ausgewirkt. Viele arbeiten nur zum Teil online oder größtenteils offline. Da war ja alleine durch die Bedingungen vieles nicht mehr möglich: Angebote konnten nicht mehr wie gewohnt stattfinden – das wirkt sich natürlich auf die Kaufbereitschaft aus.
Aber wenn jetzt dieses Jahr betrachten, merke ich, dass sich die Bedürfnisse ändern. Sowohl bei mir als auch bei den Kund:innen meiner Kund:innen. Es ist nicht so, dass Menschen nicht mehr kaufen wollen (das ist eine Sorge die häufig aufkommt). Ich sehe das nicht so, ich sehe dass jeden Tag Menschen Produkte kaufen oder Dienstleistungen buchen. Aber es braucht jetzt ein bisschen mehr – oder ein anderes Vorangehen bis diese Kaufbereitschaft wirklich da ist. Das ist etwas, das ich ganz stark beobachte.
Das bringt mit sich, dass neue Anbieter:innen, die jetzt online starten, nicht sofort Erfolg haben. Mal davon abgesehen, dass ich dieses „reich über Nacht werden“ schon immer kritisch gesehen habe – jetzt zeigt sich noch mehr, dass wir ein gutes Fundament brauchen, um die Menschen als Kund:innen zu gewinnen.
Du hast ja in deinem Artikel über Kund:innen-Gewinnung in der Krise Bedürfnisse von Kund:innen genannt. Kannst du darauf hier nochmal im Detail eingehen?
Sehr gerne. Ich würde sie gar nicht als „neue“ Bedürfnisse bezeichnen – ich glaube, dass das grundsätzliche Bedürfnisse sind, die schon immer da waren bei Kund:innen – aber die zeigen sich in solchen Krisenzeiten ein bisschen stärker.
Was ich ganz häufig beobachte ist, dass die Menschen einfach länger brauchen, bis sie eine Kaufentscheidung treffen. Also dass man nicht mehr so schnell das Geld ausgibt oder so schnell investiert. Sondern dass man zum Beispiel mehr Informationen braucht, mehr Details wissen möchte über ein Angebot. Was auch häufig passiert ist dass wir ein bisschen Vertrauen erst aufbauen dürfen.
Im Marketing heißt es ja immer, es braucht 5–9 Kontaktpunkte bis jemand zum Kunde wird. Vielleicht ist es in der Krise so, dass es eher 9–12 sind. Also dass die Leute länger nachdenken: Ist das wirklich eine Person, mit der ich arbeiten möchte?
Es kommt sehr auf das Business an, aber wenn wir jetzt persönliche Beratungen nehmen oder transformierende Zusammenarbeiten wie Coaching, auch Dienstleistungen, wenn man eng miteinander arbeitet – da ist es ja auch wichtig, dass der Draht zueinander passt – und ich glaube, das wägen Leute heute ein bisschen mehr ab.
Was ich ganz häufig noch beobachte ist, dass Menschen mehr wissen wollen, ob sich eine Investition wirklich lohnt. Wir sind schon bereit zu investieren – gerade Selbstständige wollen ihr Business auch voran bringen – aber sie wägen mehr ab: Was davon ist jetzt wirklich das Wesentliche, wo lohnt sich die Investition wirklich? Und was ist etwas, das ich vielleicht später mal machen kann?
Wir dürfen also mehr Informationen zur Verfügung stellen, sodass die Leute eine Kaufentscheidung treffen können.
Das sind so im Großen und Ganzen die Veränderungen…
Vielleicht noch ein Aspekt, was die Kosten angeht: Ich sehe auch einen Trend dazu, dass Ratenzahlungen mehr angefragt werden. Oder generell kleinere Angebote bevorzugt werden.
#77 Verkaufen in Krisenzeiten: Worauf es jetzt ankommt und wie du weiterhin Kund:innen gewinnst
Hör dir das gesamte Interview mit Sonja Mahr zum Thema Kund:innen gewinnen in der Krise an:
Während Corona hat das Thema Online-Marketing ja eher einen Auftrieb erlebt. Was ist jetzt anders?
Corona hat erstmal dafür gesorgt, dass viele auf den Online-Zug aufgesprungen sind. Das war so: Entweder das oder es geht vielleicht gar nicht weiter… Da war schon ein starker Trieb in die Online-Richtung.
Was ich jetzt dieses Jahr stärker beobachte: Dass die Menschen auch insgesamt überfordert sind; voll mit Themen sind: Corona, der furchtbare Krieg, die ganzen Unruhen – und persönliche Themen, die natürlich auch mit rein spielen. Dass deswegen so eine Art Entscheidungsmüdigkeit oder eher Entscheidungsverlangsamung stattfindet – und man wie ich grade gesagt habe mehr abwägt: Was ist grade wichtig für mich?
Wenn du gerade mit deinem Online-Business anfängst…
Ich glaube, dass online schon „gesetzt ist“, auch wenn es jetzt ein bisschen zurück geht. Ich glaube dass die Leute schon klar haben: Online ist wichtig, jetzt und in Zukunft.
Aber die Frage ist: Was ist online wichtig? Wenn man jetzt grade erst in diesen Onlinebereich rein kommt, kann man schon das Gefühl haben: An allen Ecken und Enden sagt einem ein anderer Experte was denn jetzt das allerwichtigste ist… Und dann ist es natürlich ganz schwierig, fokussiert einen ersten Schritt zu machen und die erste Reaktion ist oftmals, die Scheuklappen dicht zu machen und zu überlegen, was man jetzt als nächstes macht.
Der erste Schritt war: Corona-Pandemie, ich gehe online! Und jetzt ist es eher: Okay, aber wie baue ich das wirklich stabil auf?
Was kann man jetzt tun, um Kund:innen zu gewinnen – und was sollte man auf keinen Fall tun…?
Ich sehe das natürlich aus meiner Content-Sicht, weil ich Content als sehr nachhaltige Art und Weise betrachte, um Kund:innen zu gewinnen. Ich empfehle immer, sich zuerst mal eine klare Onlinepräsenz zu schaffen.
Also klassisch die Website, wo auch drauf steht, was du anbietest und was der Wert des Angebots ist – also nicht der Preis alleine, sondern warum nützt dieses Angebot den Menschen. Das ist immer noch auf ganz ganz vielen Websites nicht der Fall, dass man das rauslesen kann.
Das finde ich wichtig als stabiles Fundament. Ich bezeichne die Website immer als Haus, eine Art Landengeschäft online, wo wir die Leute einladen, sich mit unserer Arbeit zu beschäftigen.
Und der große Unterschied zu früher: Ich habe ganz oft Kund:innen, die sagen: Früher musste ich kein Marketing machen, die Leute kamen einfach, meine Website war bei Google auf Seite 1, obwohl ich nichts gemacht habe. Das war das Glück der Anfangszeit, als es noch nicht so viele Mitbewerber:innen gab.
Suchmaschinenoptimierung finde ich extrem wichtig und sinnvoll. Nachhaltige Inhalte erstellen, etwas das bleibt. Ich habe viele Blogartikel, die mir seit Jahren Menschen auf die Website bringen. In solche nachhaltigen Inhalte zu investieren finde ich aus meiner Sicht sehr sinnvoll.
Und darüber hinaus: Dass man das Medium findet, das zu einem passt. Nicht jede:r ist der Typ Live-Video… Wenn sich bei dir alles zusammenzieht, bevor du die Kamera anmachst, dann ist es nicht dein Format. Es gibt Videos, es gibt schreibend sichtbar werden, man kann sprechen wie mit einem Podcast. Es ist ganz elementar, dass man einen Weg findet, den man kontinuierlich beibehalten kann.
Miriams Top-Tipps für starke Webtexte
- Die Startseite dient als Übersicht und Verteiler zu weiteren Seiten deiner Webseite. Schreibe darum nicht zu viel Text auf deine Startseite und verlinke immer auf Unterseiten wie Angebot / About.
- Sei so direkt wie möglich. Komm mit deinen Inhalten auf den Punkt.
- Zähl mal, wie viele „Ich’s“ du auf deiner Seite hast und wie viele „Du’s“. Deine Leserinnen und Leser sollten im Mittelpunkt stehen, nicht du oder dein Unternehmen.
- Mache eine Sprachnotiz und schreibe auf, was du gesagt hast. So bekommst du ein Gefühl für deine eigene, natürliche Ausdrucksweise.
Fallbeispiel: Ich bin mitten in einer Launch-Phase und dann kommt eine Krise, unter der viele Menschen leiden. Wie kann man darauf reagieren?
Das ist eine persönliche Ansichtssache. Ich beobachte verschiedene Verhaltensweisen. Grade jetzt in der Krise:
Die eine ist, gar nichts mehr verkaufen und sich zurückziehen – das finde ich nicht so klug, schließlich müssen wir als Selbstständige auch verkaufen und es gibt ja auch Menschen, die unser Angebot brauchen und froh sind, wenn wir sichtbar werden.
Und das krasse Gegenteil ist, extremen Druck aufzubauen. Also noch mehr Verknappung, noch kürzere Fristen, noch weniger Bedenkzeit. Noch mehr (was ich persönlich ganz schlimm finde) schlechtes Gewissen machen, toxische Formulierungen wie „82 andere Frauen sind es sich schon wert und du bist noch nicht dabei“…
Man nennt das im Marketing „fear of missing out“: Wenn du jetzt nicht dabei bist, „geht dein ganzes Business den Bachr unter“ – sehe ich nicht so, es gibt viele Wege zum Erfolg und wenn man eine Chance nicht ergreift, dann ist es vielleicht die nächste.
Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich vermute, dass man den eigenen Druck an die Kund:innen weitergibt. Insofern menschlich verständlich, aber ich sehe es nicht so, dass es als Selbstständige unsere Aufgabe ist, noch mehr Druck aufzubauen, sondern bessere Argumente zu finden. Dass wir uns mal die Empathie-Brille anstatt den Kund:innen das Paket aufzuladen und der Mensch ist noch überforderter als vorher – sondern was kann ich jetzt hilfreiches anbieten für diesen Menschen in seiner Situation.
Weil unsere Angebote sind ja hilfreich und dann können wir auch gute Argumente finden, wie sie helfen, anstatt noch mehr zu belasten.
Ich sehe ganz häufig Kommunikation, die eindimensional ist: Du musst jetzt dies und das machen… Wenn jemand schon mit so viele Herausforderungen im Kopf hat, dann ist die Person bei „du musst“ wahrscheinlich ganz schnell weg…
Ich habe auch beobachtet, dass viele Kund:innen nochmal mit ganz persönlichen Rückfragen auf mich zukommen, wenn sie gerade eine Entscheidung treffen. Ich habe mich entschlossen, nicht als Verkäuferin zu antworten, sondern als Beraterin – einen Raum zu schaffen, in dem wir offen und ehrlich miteinander reden können…
Ich finde es ganz schön, wie du das grade gesagt hast mit diesem Raum ermöglichen. Genau das ist es doch: Wir bieten etwas an und derjenige, für den es gerade passt, nimmt es an oder eben nicht. Ich glaube wir müssen aufhören, ein nein als persönlichen Angriff oder als Niederlage zu werten. Es ist ganz normal als Selbstständige:r Ja’s und Nein’s zu bekommen.
Ich habe mit dem Beginn des Kriegs auch festgestellt, dass viele Leute Angst hatten, nicht mitzuhalten und lieber ein 1:1 wollen, weil sie da alle Fragen loswerden können. Also das Bedürfnis nach mehr Beratung, mehr Raum halten, mehr persönliche Fragen, die von Schema F abweichen. Das stelle ich schon fest.
Zum Thema Moral: Ist es denn okay, in Krisenzeiten zu verkaufen?
Ja, es gab so viele Meinungen. Ich glaube tatsächlich, dass es nicht das eine Richtig oder das eine Falsch gibt. Tatsächlich war ich eine derjenigen, die gerade eine Verkaufsphase hatte, als der Ukraine-Krieg begonnen hat und ich habe mich gefragt: Wie gehe ich damit um? Ich habe bei vielen eine Art Schockstarre beobachtet, die mittendrin eine Entscheidung treffen mussten.
Ich glaube dass da alle möglichen Reaktionen in Ordnung sind. Wichtig ist, dass man sie mit sich selber vereinbaren kann.
Ich persönlich hab dann den Verkauf nicht abgebrochen, aber ich hab zum Bespiel meine Emails reduziert. Man kann auch über sowas nachdenken, wie den Verkaufsprozess zu verlängern, sodass Kund:innen sich noch später entscheiden können. Oder ich habe auch Kolleg:innen gesehen, die einfach abgebrochen haben, finde ich auch völlig in Ordnung.
Was ich wichtig finde: Dass wir jetzt keine Scham entwickeln sollten, nur weil wir verkaufen. Grade wenn man Mitarbeiter:innen hat, wenn man sich selber bezahlen möchte, eine Familie hat oder was auch immer – es geht ja niemandem besser, wenn es uns schlechter geht in unserem Business.
Das möchte ich trennen: Es ist weiter okay, zu verkaufen. Und es gibt ja auch weiterhin Menschen, die Probleme haben, die wir lösen können mit unserem Angebot.
Klar ist, dass globale, riesengroße Krisen sich ein bisschen drüber legen und erstmal alles zu verdecken scheinen. Aber wenn jetzt jemand online nicht gefunden wird, dann besteht dieses Problem ja weiterhin. Wenn jemand unglücklich mit seinem Job ist und du bist Berufungs-Coach und könntest helfen, dann besteht das Problem ja weiterhin.
Sprich: Das Weiterleben, obwohl die Krise alles zu stoppen scheint, ist eine Herausforderung. Aber ich finde es wichtig, dass wir trotzdem noch verkaufen dürfen.
Was für mich gar nicht geht, sind solche Dinge wie Angst-Marketing oder den Krieg ausnutzen, um Verkaufsargumente zu platzieren. Das habe ich ganz häufig gesehen, mir wird da persönlich immer sehr schlecht…
Ich denke dann: Können wir das eine vom anderen trennen?
Gute Angebote haben immer gute Argumente, die für sie sprechen, ohne dass wir so eine Krise mit reinziehen müssen.
Was können wir tun, um uns auf künftige Krisen vorzubereiten? Hast du Tipps?
Ich glaube es gibt zwei Aspekte:
Was brauche ich kurzfristig, damit mein Business durch diese Krise kommt? Das können solche Dinge sein wie Ratenzahlungen ausweiten, kleinere Angebote, anders kommunizieren…
Und dann finde ich wichtig im Hinblick auf künftige Krisen (und es wird immer wieder welche geben), dass man auch langfristig denkt und sagt: Wie stelle ich mein Business auf ein stabiles Fundament? Da finde ich online inzwischen enorm wichtig, auch wenn man offline arbeitet.
Es ist wichtig, dass man sich als Expert:in positioniert, dass man Klarheit in seinen Auftritt bekommt und da auch wirklich langfristig Sichtbarkeit Sichtbarkeit etabliert für die Menschen, die man erreichen möchte.
In der Krise muss man ein bisschen balancieren: Das Akute und das Langfristige ist wichtig.
Was wäre, wenn deine Traumkund:innen von ganz alleine auf dich zukommen würden?
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Thoki - Vinothek & Küchenstudio München
Posted at 23:37h, 10 OktoberDanke für den interessanten Artikel!
Sarah
Posted at 13:19h, 15 OktoberHallo! Vielen Dank für den positiven Kommentar, das freut uns sehr! 🙂 Liebe Grüße Sarah aus dem Team von Satzgestalt